Viel Arbeit und viele Aufträge

FLÜCHTLINGE – Die große Zahl an Neuankömmlingen ist auch ein Wirtschaftsfaktor

WIESBADEN. Die große Zahl an Flüchtlingen ist für die Kommunen nicht nur eine Herausforderung, sie ist für manche Wirtschaftszweige auch ein kleines Konjunkturprogramm. Wir haben uns in Wiesbaden umgehört: Inanc Atesopglu hat zwei neue Minijobber eingestellt. Wenn die Auftragslage so weitergeht, können sie längerfristig bleiben, meint der Biebricher. Er beliefert mit seinem Cateringservice Inanc die Flüchtlinge in der August-Hermann-Francke-Schule und die in der Unterkunft in Aarbergen-Michelbach. Mit orientalischem, aber auch mit deutschem Essen. Der junge Mann hat sich vor fünf Jahren selbstständig gemacht, im Betrieb arbeiten er, seine Frau, ein Koch, weitere Mitarbeiter und die jetzt neu eingestellten 400- Euro-Jobber. Die Firma liefert Frühstück, Mittagessen und Abendessen. Mal gibt es warme, mal kalte Speisen, das komplette Essen ist „halal“, entspricht also den Speisevorschriften für Muslime. „Es ist knapp kalkuliert“, sagt der Biebricher, „aber wir kriegen es gut hin“. Auch der Partyservice Hofmann ist für die Verpflegung von Flüchtlingen in Wiesbadener Notunterkünften zuständig: „Wir machen Currygerichte, Kartoffelgerichte, Reis, Suppen.“ Auch bei Hofmann gibt es Geflügel, Rind und Lamm für die Flüchtlinge und kein Schweinefleisch. Neue Mini-Jobber Der in Erbenheim ansässige, alteingesessene Caterer beliefert das Simeonhaus. Petra Siersch, die das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Bruder Frank Hofmann führt, hat inzwischen einen Koch ganz für die Flüchtlingsverpflegung abgestellt. Zwei Zuarbeiter helfen ebenfalls mit und bei Bedarf haben die Mini-Jobber, mit denen die Firma zusammenarbeitet, jetzt auch mehr zu tun als früher. Hofmann hat auch die Notunterkünfte in den Turnhallen in Nordenstadt, Breckenheim und Naurod beliefert. Und Petra Siersch lobt ausdrücklich die gute Zusammenarbeit mit den Einsatzkräften vor Ort. „Mal liefern wir die Speisen, mal werden sie geholt, das hat sehr flexibel und immer gut geklappt.“ Wie viel sie von der Stadt je Essen bekommen, möchten beide Unternehmen aus Wettbewerbsgründen nicht sagen. In den Gemeinschaftsunterkünften, in denen die Leute längerfristig wohnen, wird selbst gekocht.

Flexibel mussten auch die Handwerker sein, die sehr schnell Unterkünfte wie die Franckeschule flott machen mussten. Theo Baumstark und sein Installationsunternehmen zum Beispiel: „Am Mittwochabend gab es die erste Anfrage, am Montag war die Schule fertig.“ Duschen mussten eingebaut, andere Installationen gelegt werden. Baumstark macht auch kein Geheimnis draus, dass solche Aufträge gutes Geld bringen. „Ein Auftragsvolumen von etwa 30000 Euro“, sagt er. Allerdings stellt es die Firmen auch vor logistische Herausforderungen. „Denn die Pläne, die wir vorher für die Woche gemacht hatten, konnten wir natürlich nicht mehr gebrauchen.“

Partnerfirma im Boot Auch die Firma Bettendorf kann sich derzeit über fehlende Aufträge nicht beklagen. Sie hat in den vergangenen Monaten in insgesamt drei Flüchtlingsunterkünften gearbeitet. Besonders viel zu tun war im Simeonhaus, wo Mitarbeiter des Unternehmens an vier Gebäuden Wasserversorgung und Heizung installiert haben. „Wir haben“, sagt Thomas Maxheimer von der Firma Bettendorf, „allein knapp 400 Meter Trinkwasserleitung verlegt.“ Mit 15 bis 20 Leuten war man unter der Woche und am Wochenende vor Ort. Um die Arbeit zu bewältigen, hatte Maxheimer auch eine Partnerfirma mit ins Boot geholt. Denn auch die andere Kundschaft soll nicht verprellt werden. Den Mitarbeitern „haben wir immer wieder kleine Motivationsschübe gegeben“, erzählt Maxheimer. So wurde zum Beispiel donnerstags gegrillt. Über das Auftragsvolumen möchte er sich nicht äußern. „Aber es war ein lukrativer Auftrag.“ Anderes Metier, gleiches Bild: Die Inlingua-Sprachschule in Wiesbaden verzeichnet im Vergleich zum vergangenen Jahr einen Anstieg um 30 Prozent bei ihren Deutschkursen. Direktor Michael Hofmann: „Wir haben zwei fest angestellte Lehrkräfte und sechs freie Mitarbeiter für Deutsch als Fremdsprache.“ Die Trainer seien voll ausgelastet. Inlingua bietet in Wiesbaden keine staatlich finanzierten Kurse an. Wer dort Deutsch lernen möchte, zahlt 495 Euro im Monat. „Zu uns kommen Leute, die meist schon in ihren Herkunftsländern in guten Berufen gearbeitet haben“, berichtet Hofmann.